Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, gerne wäre ich in diesen Tagen nach Leutesdorf gekommen, um mit Ihnen den 150. Geburtstag von Pater Johannes Maria Haw zu feiern, der am 26. Mai 1871 in Schweich an der Mosel geboren wurde. Im Oktober 2014 konnten wir die diözesane Phase des Seligsprechungsverfahrens für diesen Diener Gottes abschließen und beten nun gemeinsam um seine Seligsprechung. Leider lassen die Umstände der Corona-Pandemie es auch jetzt noch nicht zu, diesen Anlass in einem größeren Kreise zu begehen. So wende ich mich mit diesem Brief an Sie, liebe Schwestern und Brüder, die Sie zum Gedenken an Pater Haw in verschiedenen Gottesdienstgemeinden zusammenkommen. Es war für diesen Anlass vorgesehen, die Votivmesse vom heiligen Johannes dem Täufer zu feiern, auf dessen Namen Pater Haw getauft wurde und dessen Gestalt für ihn zeitlebens von großer Bedeutung war. Das zeigt sich nicht nur darin, dass Pater Haw seinen Gründungen, dem Johannesbund, den Johannesschwestern und den Johannesmissionaren den Namen des Heiligen gab und ihn zum „Patron unseres ganzen Werkes“ erwählte. Mehr noch war es das Lebens- und Glaubenszeugnis Johannes` des Täufers, das für ihn so etwas wie das Programm eines christlichen Lebens in der Nachfolge Jesu darstellte, dem es nachzueifern galt. In ihm fand Pater Haw wichtige Eckpfeiler seiner Spiritualität: Askese, Buße und Sühne. Den Aufruf des Rufers in der Wüste zu Umkehr und Buße wollte er zu seiner Zeit in eine Welt hinausschicken, deren Entwicklungen er selbst eher pessimistisch beurteilte. Aber er hatte das feste Vertrauen, dass Gott in allen Veränderungen und Herausforderungen seiner Zeit Anker und Richtschnur für das Leben der Menschen ist, an die man sich halten kann. Die Sorgen um die Entwicklungen der Welt und der Menschheit von heute sind nicht geringer geworden. Die Suche nach Frieden und nach Wegen zur Bewahrung der Schöpfung prägt unser Zeitalter. Hinzu kommen jetzt die Erfahrungen der Corona-Pandemie in den letzten Monaten, die unser Leben mit all seinen Möglichkeiten und Freiheiten stark beeinträchtigt hat. Dabei ist mancher Riss in unserer Gesellschaft aufgeklafft und auch international hat sich die Ungleichheit verschärft. Wir merken an vielen Stellen, dass es nicht einfach so weitergehen kann. Es braucht auch heute Umkehr und Buße. Und wenn diese Worte vielleicht auch altmodisch und überkommen klingen mögen, so stehen sie doch im Zentrum der frohen Botschaft Jesu, der verkündet hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Dieser Botschaft wusste Pater Haw sich verpflichtet; und wie der Täufer selbst bleibt er für uns heute ein Mahner der Umkehr und der Besinnung auf die Botschaft Jesu Christi, der von Gott gesandt ist, den Armen die frohe Botschaft zu bringen und die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen. (vgl. Lk 4,18) Diese frohe Botschaft vom Reich Gottes bleibt bei Pater Haw nicht nur ein frommes Wort. In der Zuwendung zum Menschen bekam sie Hand und Fuß. „Wir wenden uns denen zu, die geistig oder leiblich Not leiden, die in ihrer Existenz bedroht und in Gefahr sind, ihr Heil zu verlieren … Diese Menschen wieder zu sich selbst und zu Gott zu führen und sie in die Gesellschaft einzugliedern, ist uns eine wesentliche Aufgabe.“ So heißt es bis heute in den Lebensregeln der Johannesschwestern und Johannesmissionare. Im Tun der Werke der Barmherzigkeit erfüllt sich aber nicht nur die konkrete Idee von Pater Haw, sondern es erfüllt sich auch die Zusage, die aus dem Namen Johannes selbst spricht. Denn den hebräisch-griechischen Namen Johannes können wir ins Deutsche übersetzen mit den Worten: „Gott ist barmherzig“. So tritt zur eher rauhen Seite des Bußpredigers Johannes die zärtliche Seite des „Freundes des Bräutigams“ (Joh 3,22), der auf Jesus Christus hinweist, in dem Gottes Barmherzigkeit ein Gesicht bekommen hat. Papst Franziskus wird nicht müde, Gottes Barmherzigkeit in den Mittelpunkt seiner Verkündigung zu stellen. „Zur Barmherzigkeit fähig sein: Das ist der Schlüssel! Das ist unser Schlüssel!“, so hat er es einmal formuliert. Johannes Maria Haw hatte das nicht nur erkannt, sondern ins Werk umgesetzt, und seine Werke tun es bis heute. So ist er zu einem Apostel der Barmherzigkeit für unsere Zeit geworden. Und als Apostel der Barmherzigkeit wie als Mahner zur Umkehr zu einem Leben nach der Weisung des Herrn bleibt er für uns und unsere Zeitgenossen heute höchst aktuell. Liebe Schwestern und Brüder, Pater Haw hat sein Leben und seinen Dienst unter den Psalmvers gestellt: „Die Erwarmungen des Herrn will ich preisen in Ewigkeit“ (Ps 89,2). Wer Barmherzigkeit übt, der wird sich immer wieder als jemand erfahren, der selbst auf Gottes Barmherzigkeit, auf seine Erwarmungen angewiesen ist. Bei allem Guten, das wir selbst leisten können, bleibt letztlich doch die Erkenntnis, dass Gott es ist, der diesem Wirken Wachstum und Frucht schenkt. So könnte man in Abwandlung eines Wortes des Apostels Paulus auf Pater Haw hin angewendet vielleicht sagen: Er hat gepflanzt, viele haben in seiner Nachfolge begossen, Gott aber ließ wachsen. (vgl. 1 Kor 3,6). Wenn wir daher heute des Dieners Gottes Pater Johannes Maria Haw in besonderer Weise gedenken und um seine baldige Seligsprechung bitten, dann ehren wir so zuerst Gott, den Barmherzigen, selbst, der in der Krönung der Verdienste heiligmäßiger Menschen das Werk seiner Gnade krönt. Ihnen allen, die Sie das Andenken an Pater Johannes Maria Haw wachhalten und weiter bekanntmachen, sein Apostolat fortsetzen und um seine Seligsprechung beten, sage ich ein herzliches Wort des Dankes. Ich empfehle Sie alle der Barmherzigkeit Gottes, für die Pater Haw immer wieder Zeugnis abgelegt hat, und erteile Ihnen meinen bischöflichen Segen. Trier, den 26. Mai 2021, am 150. Geburtstag des Dieners Gottes P. Johannes Maria Haw Ihr Bischof †Stephan Ackermann Bischof von Trier